Frühstücksglück auf dem Camino del Norte

Der Camino del Norte hat viele Gesichter – und heute zeigt er mir eines seiner charmantesten: das spanische Frühstücksparadies! Als frischgebackener Rentner sitze ich in einer kleinen Bar, lasse mir für uns zwei frisch gepresste Orangensäfte, zwei knusprige Toastadas mit Marmelade und natürlich 3 Café con leche servieren – und das alles für lächerliche 10 €. In Deutschland würde das kaum für zwei Kaffeetassen reichen. Hier dagegen grinst mich Spanien freundlich an und sagt: „Setz dich, genieß dein Leben!“

Auch wenn ich den Wecker am liebsten ignorieren würde – wir müssen uns heute zusammenreißen. Die nächsten Etappen auf dem Camino del Norte sind nämlich echte Brocken, und wer zu spät kommt, den bestraft nicht das Leben, sondern die mangelnde Auswahl an Unterkünften. Also planen wir ausnahmsweise mal vor und buchen bereits am Morgen ein Bett für die Nacht. Spontaneität ist zwar schön, aber ein Dach über dem Kopf ist schöner.

Aufstieg mit Aussicht – und einer Prise Regen

Gut gestärkt geht’s los – das Hotel liegt direkt an einer wenig befahrenen Landstraße. Meine Achillessehne, gestern noch ein kleines Drama, fühlt sich heute wieder fast wie neu an. Ich hoffe, sie meint das ernst.

Ab Kilometer 2,5 zieht sich der Weg sachte, aber bestimmt den Berg hinauf. Das Wetter? Irgendwo zwischen Hochnebel und feuchter Waschküche. Die Luftfeuchtigkeit liegt gefühlt bei 300 %, aber immerhin: Es regnet erst ein bisschen, als wir bergab gehen. Aber nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei und die Sonne scheint wieder. Der Camino zeigt sich heute gnädig.

Immer wieder sausen uns fitte Pilger mit wehenden Jacken vorbei – doch wie durch ein Wunder treffen wir sie später alle wieder. Ein Hoch auf das langsame, aber konstante Wandertempo! Selbst die Rennradfahrer winken uns freundlich zu, rufen „Buen Camino!“ und fliegen grüßend an uns vorbei.

Fata Morgana, Automat und französische Freunde

Nach etwa 11 Kilometern ist unser Frühstück nur noch eine warme Erinnerung. Die Suche nach einer neuen Quelle der Energie gestaltet sich… schwierig. Wir haben – typisch wir – vorher nicht geschaut, wo es etwas zu essen gibt. Hunger ist unser neuer Wanderbegleiter. Immer wieder summen wir ein Lied, das perfekt zur Situation passt: „Wie eine Fata Morgana“.

Hausnummer 23 in Sebrayro am Wegesrand macht uns kurz Hoffnung – aber wir singen vergeblich. Dann, wie aus dem Nichts, erscheint unsere Oase: ein kleiner Automat, mitten im Nirgendwo! Gefüllt mit Leckereien, Wasser, einer Mikrowelle, Musik vom Radio und einem Tisch mit Bänken. Der Camino del Norte hat ein Herz für hungrige Pilger!

Zwischen hundert handgeschriebenen Zetteln mit Grüßen aus aller Welt genießen wir unser improvisiertes Picknick. Es ist vielleicht nicht luxuriös – aber es ist genau das, was wir gerade brauchen.

Und als ob der Tag nicht schon genug Überraschungen bereithält, tauchen plötzlich unsere französischen Freunde um die Ecke auf – heute wieder vollzählig zu viert. Zufall? Schicksal? Camino-Magie!

So schön der Automat auch war – der restliche Tag ist eher durchwachsen. Die Landschaft ist diesmal kein Postkartenmotiv, das Knie zwickt, die Achillessehne beschwert sich wieder und der Schlaf war auch eher schlecht. Kurz gesagt: Ich habe schon bedeutend bessere Tage auf dem Camino del Norte erlebt. Sabine hingehen hatte einen besseren Tag.

Vielleicht ist es morgen Zeit für einen Ruhetag. Oder doch noch ein paar Kilometer weiter? Der Camino hat seine eigene Logik – und wir folgen ihm, Schritt für Schritt.

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