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Von Palas de Rei nach Mélide
Mélide, Spain |
Mélide, Spain
Diesen Wegabschnitt widme ich meiner lieben Sabine. Sie ist mit mir den ganzen Lebensweg gegangen. In guten und in schlechten Zeiten, durch dick und dünn. Sabine ist mein ruhiger Pol und immer noch meine große Liebe. Bis zum heutigen Tag.
Heute liegt eine merkwürdige Stimmung in der Luft. Sabine fühlt sich zwar besser, hat aber immer noch eine stark weiß-belegte Zunge und im Gesicht sieht aus wie ein Geist. Die Magen-Darm-Verstimmung ist auch nicht zu 100% überstanden. Es ist Sonntag. Apotheken und Aertzte, sie sind geschlossen. Sabine will bis zum nächsten Ort weiterlaufen, aber mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, wenn sie unterwegs aus den Latschen kippt.
Immerhin sind es zum nächsten Ort 1:15 h bei normalem Wandertempo. Und dieses ist heute schlichtweg unmöglich.
Wir frühstücken in der Bar, wo man mich schon mit Namen kennt und überlegen nochmal gemeinsam unseren weiteren Plan. Am Nebentisch sitzen vier flotte Damen. Geschminkt, gut aussehend und frisch, als ob sie den Jakobsweg geflogen sind. An der Eingangstür türmen sich die schweren Wanderrucksäcke der Damen, die auf Ihre Abholung durch den Peregrinoservice warten. Und jetzt der Hammer: Die Damen steigen in ein Taxi ein. Man will ihnen ja nichts Böses nachsagen aber es riecht einfach danach und kommt offensichtlich immer mehr in Mode:
Wahrscheinlich werden sie in ihrem unbenutzten Wanderoutfit zum nächsten Hostel gefahren und ergaunern sich auf diese Weise einen preiswerten Urlaub und eine Compostela dazu. Wir beneiden diese Menschen aber nicht, im Gegenteil man kann sie nur bedauern.
Sowieso ist auf den letzten 100 km alles anders.
Ich muss heute weitergehen, sonst fällt mir hier noch die Decke auf den Kopf. Sabine ist nicht fit genug zum wandern, aber auch nicht krank genug für’s Bett, also entscheiden wir uns dafür, dass ich nach Mélide laufe und Sabine mit dem Bus dorthin fährt. Für Beide die beste Lösung und Sabine hat nochmal einen Tag mehr Zeit, wieder zu Kräften kommen.
Heute gönne ich mir einen neuen Kleiderschrank in Form einer Einkaufstüte mit zwei gesunden Henkeln. Bei meinem vorigen Kleiderschrank (Mülltüte) war schon ein Henkel abgerissen, das war sehr unangenehm beim Transport und beim Aufhängen in die Duschkabine. Welche Sorgen man hier hat, werdet Ihr sicherlich denken?
Der Wetter ist herrlich. Keine Wolke am Himmel und dennoch nicht zu heiß. Der erste Abschnitt des Weges, nach Palas de Rei ist wie ein Laubtunnel, der vor der Sonne schützt und dadurch ein sehr angenehmes Laufklima schafft.
Heute ist Tag der Kornspeicher. Unzählige dieser Kammern auf Stelzen verschönern den Weg.
Die Landschaft ist hier wieder ganz anders. Irgendwie dichter, nicht so frei. Das liegt wahrscheinlich daran, dass hier keine fernen Bergblicke mehr möglich sind. Dennoch ist es wunderschön. Ich wundere mich, wo die vielen Pilger auf einmal geblieben sind. Die Pilger, die ich bis jetzt gesehen habe, kann man an einer Hand abzählen. Fahren die heute alle mit dem Bus oder Taxi? Komisch irgendwie. Gut, mag sein, dass es an der fortgeschrittenen Zeit liegt. Es ist schon 13.00 Uhr und viele werden versuchen, bis dahin ein Bett zu finden, weil sie Angst haben, keines mehr zu kriegen. Ich kann jetzt ganz sorglos dahinschlendern, denn soeben erhalte ich von Sabine einen Anruf, dass sie ein sehr schönes Hostel gefunden hat. Sie hört sich am Telefon auch wieder deutlich besser an. Hoffentlich täuscht das nicht.
Ein wunderschönes altes Dorf namens Lebreiro durchläuft man, wo rechts eine kleine, schlichte aber wunderschöne Kirche mit dem klangvollen Namen ‚Iglesia de Santa Maria de Lebreiro‘ zum Verweilen einlädt.
In der Kirche ist das Fotografieren leider nicht erlaubt. Draußen vor dem Kirchenportal spreche ich den Stempelmann an, dass es eine schöne Kirche sei und lasse mir auf dem Reiseführer zeigen, wo sie steht und wie sie heisst. Mein großes Interesse an der Iglesia scheint ihm zu gefallen, denn er belohnt mich damit, ein Foto machen zu dürfen. Allerdings solle ich den Blitz nicht verwenden. Ich erkläre ihm, dass ich in Kirchen nie den Blitz einsetze. Er freut sich darüber und schaltet für mich sogar noch extra das Licht am Altar ein.
Mit einer kleinen Spende für dieses Kunstbauwerk und einem freundlichen Händeschütteln verlasse ich die Kirche und den Stempelmann.
Der Weg führt wieder über eine alte steinerne Brücke und ist ab jetzt wenig im Schatten. Es ist aber gut in der Sonne auszuhalten. Kurz vor Mélide kommt nochmal ein galicischer Grenzübertritt von der Province Lugo nach de A Coruña. Er ist gekennzeichnet durch einen hohen Stein mit einem Kreuz darauf (Foto).
Es geht nochmal über eine wunderschöne alte Brücke in ein noch wunderschöneres, altes Dorf mit Steinhäusern. An der Biegung wieder eine Kirche die geöffnet ist. Fast in jeder Kirche sitzt jemand mit Stempel und Kugelschreiber bewaffnet, um den vorbeikommenden Pilgern einen Stempel zu geben. Uns wurde gesagt, dass es sich auf den letzten 100 km empfiehlt, pro Tag mindestens 2 Stempel an verschiedenen Orten zu sammeln.
Sabine hat mir per SMS das Hostel und die Zimmernummer durchgegeben.
Die moderne Technik lotst mich dann direkt bis vor die Haustür der Pensión Berenguela. Übrigens hilft uns das HTC mittlerweile auch perfekt beim Uebersetzen von Deutschen in Spanische und umgekehrt. Wir quasseln ins HTC-Mobiltelefon und Mr. Google-Translator überstetzt uns blitzschnell ins Spanische mit Schrift und Laut. Und wir lernen noch etwas spanisch dabei. Auf diese Weise ordern wir in der Bar Kamillentee für Sabine.
Unter dem Sonnenschirm wird uns zu warm und wir wollen an einen kühlen Ort. Wir steuern auf die Kirche ‚Iglesia de San Pedro‘ zu, setzen uns hinein und lassen sie auf uns wirken. Sabine lässt sich noch einen Stempel geben. Ich lasse es lieber, weil in meiner Credential nicht mehr viel Platz ist und unterwegs schon ein paar Stempel gesammelt habe.
Wir setzen uns auf eine Steinbank im Schatten vor der Iglesia de San Pedro und ich arbeite noch etwas am Tagebuch.
Plötzlich steht Melanie aus Holland mit Ihrem Freund vor uns. Sie hat in Ponferrada auf Ihren Freund gewartet, der ab hier mitgelaufen ist. Wir haben sie zum letzten Mal in Molinaseca bei 220,9 km am 11. Juni gesehen. Jetzt sind wir bei 57,5 km vor Santiago, 11 Tage später. Die Freude war riesengroß, Melanie hat so ein herrlich frisches und angenehmes Wesen.
Sabine braucht zum Stärken eine Suppe. Wir finden die beste Suppe in Mélide in der stilvollsten Bar von Mélide. Nur einheimische ältere Herren im Lokal.
Wir bekommen eine köstliche Gemüse-Kraftsuppe mit viel Knoblauch, das wird uns die notwenige Kraft geben, um morgen gemeinsam weiterzulaufen.
Wir unterhalten uns wieder einmal mit einem netten 66-jährigen Spanier, der viele Jahre in der deutschen Schweiz gelebt und gearbeitet hat. Er erzählt uns viele interessante Dinge über Galicien. Nämlich, dass Franco die galicische Sprache unterdrückt hat, wie es mit der Politik in Galicien steht und dass jetzt in den Schulen seit 78 wieder zweisprachig unterrichtet wird. Galicisch soll dem Potugiesischen ähnlicher sein, als dem Spanischen. Er meint, Galicier haben zwar Ihren Nationalstolz, sind aber nicht gar so fundamentalistisch wie zum Beispiel Basken.
So haben wir ganz nebenbei noch ein bisschen kulturellen, galicischen Unterricht in schweizer Dialekt erhalten.
Wetter: Sonnig und warm, aber angenehm
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van der Voorden PHOTOGRAPHY
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