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Erkenntnis des Tages: Es kommt wie es kommen muss
Zurückgelegte Strecke ca. 18km und 420 hm
Die Toilette hängt genau an DER Wand, an der sich MEIN Bett befindet. Die Schallisolation der Wand ist jetzt nicht sooo berauschend. Ganz im Gegenteil, man hört wirklich ALLES und ich möchte auch nicht weiter ins Detail gehen. Über mir wackelt Sabine lustig hin und her.
Mir Gegenüber liegen drei Spanierinnen im schicken Partner-Look. Sie lassen sich ihre dicken Koffer und Beauty-Cases von Herberge zu Herberge fahren. Aus gesundheitlichen Gründen durchaus nachvollziehbar, aber diese drei Damen sollte der liebe Gott zur Strafe mit dem gesamten Gepäck auf den Weg schicken, denn sie rascheln unentwegt in ihren Koffern voller Plastiktüten herum, sodass man kein Auge zu bekommt. Was ich etwas befremdlich finde ist, dass es auf dem Camino bis hierhin kaum noch Glocken in den Kirchen gibt. Stattdessen wird ein sehr synthetisch klingendes Glockenspiel über Druckkammerlautsprecher in die Luft gesendet. Es geht nichts über echte Kirchenglocken aus Bronze! An den elektronischen Glockenklang mag ich mich einfach nicht gewöhnen. Dann lieber gar nix wie sowas.
Obwohl 15 Menschen in der Herberge sind, schlafen wir wie die Murmeltiere. Den Wecker haben wir vorsichtshalber ausgeschaltet, damit wir die Anderen nicht stören. Als wir aufwachen, flüstern wir, aber es stellt sich heraus, dass es unnötig ist, denn alle sind schon weg. Obwohl wir als letztes die Herberge verlassen ist es gerade mal 8:20 Uhr. Die letzten 100 km sind angebrochen, ab hier gehen die meisten spanischen Pilger los. Vielleicht beginnt jetzt der Kampf ums Bett und wir haben es verschlafen.
In der Zwischenzeit haben wir uns schon so eine gewisse Gleichgültigkeit und Lockerheit erwandert. Ganz nach dem Motto ‚es kommt, wie es kommen muss‘. Wir sind nun noch eher bereit, Dinge so zu akzeptieren wie sie sind.
Gerade jetzt, wo es anfängt zu regnen ist das eine gute Sache.
Nach vielen Jahren Urlaub besten Wetters, haben wir nun auch mal einen regnerischen Tag erwischt. Es ist aber nicht so, dass es den ganzen Tag über in Strömen gießt, aber hin und wieder bedarf es mal eines Ponchos. Nach der Hitzewelle eine schöne Abwechslung, denn wir haben heute 2 Berge (145 und 140 hm) zu bezwingen. Wir laufen durch eine landschaftlich reizvolle Landschaft. Immer wieder sieht man Reste der Römerstraße XIX.
In Arcade überqueren wir die berühmte Ponte Sampaio über den Rio Verdugo, der in den Rio de Vigo mündet. Auch sie geht auf die Römerstraße XIX zurück. Das aktuelle 10-bogige Bauwerk würde im Mittelalter errichtet und im 17 und 19 Jhd. erneuert.
Nach Arcade geht’s wieder aufwärts zur 2. Bergetappe. Auf dem Abstieg lockt uns ein Schild, worauf Obst & Getränke angepriesen werden, in den Garten. Es kommt ein Schauer hernieder und wir finden unter dem großen Dach von Figueirido Schutz.
Eine große Gruppe Behinderter Menschen laufen auch ein Stück am Jakobsweg entlang, werden von Begleitfahrzeugen versorgt und suchen dort ebenfalls Regenschutz.
Der Inhaber, ein älterer Herr, geht gemütlich in sein Haus hinein und heraus, immer wieder. Stetig laufend versorgt er auf diese Weise ganz entspannt die ganze Mannschaft mit Essen und Trinken. Binnen kurzer Zeit ist jeder versorgt. Er hat immer ein freundliches Lächeln im Gesicht und einen guten Spruch auf den Lippen und spricht sogar perfekt deutsch. Unübertrefflich ist der Tomatensalat mit Olivenöl und Zwiebeln. Brot wird auch dazu gereicht. Alles selbst angebaut im eigenen Garten. Ich bin nun wirklich kein Tomatenfan, aber so einen herrlich schmackhaften Tomatensalat habe ich im Leben noch nicht gegessen.
Binnen weniger Minuten kommen wir mit netten Spaniern ins Gespräch. Wir verstehen nichts, aber unterhalten uns prächtig – mit Händen und Füßen. Zum Abschied wollen sie noch ein Bild von uns und wir natürlich auch von ihnen (Foto). Wahnsinn.
Als der Schauer aufhört sind wir satt, lustig und beschwingt, denn zum Abschied bekommt man noch einen selbst gemachten Grappa mit auf den Weg und weil Sabine nur nippt, muss ich zwei davon trinken. Hicks.
Eine der besten Pausen des Weges.
Nach der Kapelle, wo wir uns noch einen Stempel in den Pilgerpass drücken, nehmen wir den etwas längeren, aber schöneren Weg entlang eines Flüsschens. Er schlängelt sich in recht großen Schleifen durchs Grüne. Der andere Weg ist zwar kürzer, geht aber direkt an der stark befahrenen Straße entlang.
Um 15:30 Uhr sind wir in Pontevedra und nehmen das erstbeste Hostel. Gute Entscheidung, denn einige Pilger kommen aus dem 1 km entfernten Zentrum wieder zurück, um hier ihre Unterkunft zu finden. Die schöne Altstadt schauen wir uns morgen an.
An den Tisch setzen sich noch zwei Däninnen und wir unterhalten uns lange Zeit über Caminos, Amsterdam und Kopenhagen, Dänemark. Ist schon toll, wenn man mitreden kann und vieles auf der Welt schon gesehen hat. Zumindest hilft es Brücken zu bauen. Mauern gibt es nämlich schon genug.