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02.06.2019 Camino Primitivo: Von Grado nach Salas



Erkenntnis des Tages: 
Die Caminoritis hat uns wieder


Am Vortag sagte man uns, dass es um 7 Uhr Frühstück gibt. Um 7 Uhr sitzen auch alle Pilger schon brav an den leeren Tischen und harren der Dinge die da kommen. Um 7:15 Uhr öffnet sich die Eingangstür und die gewichtige Herrin des Hauses schleppt sich hinter den Tresen. 5 Minuten später liefert der mobile Bäcker die Croissants. Sie fragt alle Leute welche Art Kaffee sie mögen. Glücklicherweise wollen 14 Pilger Café con leche, nur ein Niederländer weicht vom Standard ab (nein nicht ich) und bestellt sich einen Café Americano. Im Akkord stellt sie die Untertassen, dann die Tassen und Löffel auf den Tresen. Die Siebträgermaschine der Café Bar läuft jetzt auf Hochtouren. Die Milch wird aufgeschäumt während sie schon die Teller für die Croissants aufstellt. Binnen weniger Minuten hat jeder seinen Kaffee und auch das Croissant vor sich stehen. Am Nebentisch schnattern 5 junge Spanierinnen aufgeregt miteinander. Am Tisch dahinter hört man vom Schwaben dennoch jedes einzelne Wort. Um 7:45 Uhr stehen wir trotz der leichten Verspätung der Chefin schon wieder mit beiden Beinen auf dem Camino. Respektable Leistung. Ich hätte das in der 5-fachen Zeit nicht geschafft, so viele Leute zu bedienen.

Ab Grado geht es gleich bergauf. 6 km lang immerzu bergauf. Teilweise sehr steil. Dabei wird die Aussicht über die Mittelgebirgslandschaft immer schöner. Zum ersten Mal packen wir die Wanderstöcke aus. Es ist übrigens Premiere für uns. Bisher haben wir davon nie Gebrauch gemacht. Gleich aber zeigt sich, dass sich von Sabine’s Wanderstöcken einer nicht aretieren lässt. An der nächstmöglichen Gelegenheit verabschieden wir uns von dem Taugenichts. Aber Sabine läuft eh lieber nur mit einem Stock, also kein Problem.

Der Weg ist heute wieder zauberhaft schön und uns geht es am dritten Wandertag richtig gut. Die Caminoritis hat uns glücklicherweise wieder. Offensichtlich eine wohltuende Suchtkrankheit, von der nicht nur wir befallen sind. Andere Pilger kennen diese „Krankheit“ auch.

Der Primitivo ist bestens mit gelben Pfeilen und anderen Wegemarkierungen versehen. Verlaufen ist schier unmöglich. Teilweise sind sogar Pfeile an Müllcontainern auf Rollen angebracht. Nach den 6 km bergauf geht es noch steiler bergab. Nach ca. 2 km stranden wir an einem Haus mit Sitzgelegenheiten. Auf Spendenbasis wird dort Obst, Kaffee, Bio-Tee, selbstgemachte Limonade und Kuchen usw. angeboten. Eigentlich will Sabine nur ihre kurze Wanderhose anziehen. Wir kommen aber dabei mit dem jungen Franzosen und Besitzer des Hauses in ein interessantes Gespräch. Ursprünglich war er Ingenieur und hatte einen stressigen Job mit Krawattenpflicht und hat gutes Geld verdient. Er erzählt, dass er den Camino selbst gelaufen ist und er keine Lust mehr auf seinen stressigen Job hatte und eine andere, einfachere Art zu leben suchte. Auf dem Weg blieb er an diesem wunderschönen Ort hängen, kaufte das herunter gekommene Haus und lebt nun die eine Hälfte des Jahres hier und renoviert hier alles sehr geschmackvoll und gibt den Pilgern das zurück was er selbst sehr oft in Anspruch genommen hat. Er lebt mit seiner argentinischen Frau und seiner Tochter im Sommer hier in Spanien und die andere Hälfte des Jahres lebt er in New York und verkauft im Dezember Weihnachtsbäume.

Ich bewundere Menschen, die ihre Träume so leben können. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte auch so aus den Mühlen des Lebens aussteigen und das Leben auf so einfache Art genießen.

Das inspirierende Gespräch geht mir auf dem weiteren Weg zum nächsten Ort Cornellana noch lange durch den Kopf. Dort machen wir in einer Café Bar eine längere Pause.

Um nach 11km aufzuhören ist es noch ein bisschen zu früh, und die Temperaturen sind heute erträglicher. Wir beschließen deshalb noch weiter bis Salas zu gehen. Der Camino schlängelt sich wieder auf und ab durch die wunderschöne Natur Spaniens. Auf einem asturischen Friedhof machen wir nochmal eine Rast und finden im Rucksack Dinge, die wir schon eine ganze Weile mit uns herumschleppen. Gut gestärkt nehmen wir die letzten Kilometer in Angriff und kommen trotz der fast 23 km bei 680 Hm bergauf und 550 Hm bergab relativ fit an.



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